Gerald Sorge
Gerald Sorge participated in multiple Socrates Project courses, in fall 2021 and spring 2022. One of the courses he attended was “Bildung, Befreiung, Öffentlichkeit” (“Education, Liberation, Public Sphere”), a course in literature and philosophy that was instructed in German language in spring 2022. Some of the philosophical texts as part of this course dealt with questions of human nature and education, which led Gerald to profound and very personal contemplations. The notes he shared reflect on the continued relevance of an ancient philosophical debate concerning negative and positive conceptions of mankind by subjectively engaging with the contrasting views of Jean-Jacques Rousseau and Thomas Hobbes.
Beim Lesen und Diskutieren der Texte im Kurs Bildung, Befreiung und Öffentlichkeit hat Jean-Jacques Rousseau bei mir den stärksten Eindruck hinterlassen. Deshalb möchte ich meinen Überlegungen folgendes Zitat aus Emile oder Über die Erziehung (1762) voranstellen:
„Der natürliche Mensch ist sich selbst alles. Er ist die ungebrochene Einheit, das absolute Ganze, das nur zu sich selbst oder seinesgleichen eine Beziehung hat.“
Diese Aussage von Rousseau fand zu seiner Zeit nur wenig Zustimmung. Zu konträr war sie zur damals allgemein akzeptierten These von Thomas Hobbes, nach welcher das Leben eines Menschen im Naturzustand „einsam, arm, roh und kurz“ ist. Nun stehen beide Aussagen schon Jahrhunderte im Raum und erscheinen heute noch ebenso polarisierend wie damals.
Und ich frage mich heute: Von welcher der beiden Prämissen möchte ich ausgehen? Von welcher Seite nähere ich mich und wie wird sich dies auswirken?
Ganz eindeutig findet Rousseaus These mehr Zustimmung in mir und ich möchte kurz versuchen, meine Gedanken dazu transparent zu machen.
Der Satz von Rousseau steht für mich persönlich für einen gereiften, reflektierten Menschen, der mit sich selbst einen tiefen Frieden gefunden hat und keinen äußeren Abhängigkeiten mehr unterworfen ist. Klingt für mich verdächtig nach Erleuchtung.
Und der Weg dahin? Ein Zitat von Carl Jung drängt sich mir auf: „Man wird nicht dadurch erleuchtet, dass man sich Lichtgestalten vorstellt, sondern durch Bewusstmachung der Dunkelheit.“
Dies erscheint mühsam und so gar nicht natürlich. Aber was wäre die Alternative? Mich ständig zu fürchten? Immer um meine Existenz bangen? Nur im Schutz des Schwarms mich vorübergehend sicher fühlen? Bis man mich an den Rand drängt?